Urteil zur Nettofüllmenge bei Leberwurst: Ein Überblick

Mit Urteil vom 24. Mai 2024 (Az.: 4 A 779/23) hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen entschieden, dass auch nicht essbare Wursthüllen und -clipse zur Nettofüllmenge fertigverpackter Leberwurst gehören. Der vollständige Entscheidungstext ist derzeit noch nicht verfügbar, wird jedoch bald abrufbar sein.

Sachverhalt

Ein fleischverarbeitendes Unternehmen produziert Wurstwaren, die mit Wurstclipse und nicht essbaren Wursthüllen versehen sind. Bei einer Kontrolle durch die zuständige Eichbehörde wurde beanstandet, dass diese nicht essbaren Materialien als Tara-Material zu berücksichtigen seien und somit nicht der Nettofüllmenge zuzurechnen sind. Die Eichbehörden untersagten daraufhin dem Unternehmen den Verkauf solcher Fertigpackungen. Das Unternehmen erhob Klage vor dem Verwaltungsgericht Münster, welches der Behörde in erster Instanz Recht gab. Über diese Entscheidung wurde hier berichtet.

Rechtlicher Hintergrund

Gemäß Art. 9 Abs. 1 Buchst. e) i. V. m. Art. 23 Abs. 1 und 3 i. V. m. Anhang IX der Lebensmittel-Informationsverordnung (LMIV) muss bei vorverpackten Lebensmitteln die Nettofüllmenge angegeben werden. Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 definiert „Lebensmittel“ als alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind, vom Menschen in irgendeiner Form aufgenommen zu werden. Nicht essbare Teile wie Wurstclipse und -hüllen zählen demnach nicht zur Nettofüllmenge.

Entscheidung des OVG NRW

Das OVG NRW hob das erstinstanzliche Urteil auf und erklärte die Untersagungsverfügung der Eichbehörde für ungültig. Das Gericht führte aus, dass gemäß der Fertigpackungsrichtlinie 76/211/EWG unter der Füllmenge die tatsächliche Menge des Erzeugnisses in der Verpackung zu verstehen ist. Die Füllmenge einer Fertigpackung wird nach den Vorschriften des deutschen Mess- und Eichgesetzes (MessEG) und der Fertigpackungsverordnung (FertigpackV) bestimmt, welche die Vorgaben der Richtlinie in deutsches Recht umsetzen.

Die Lebensmittelinformationsverordnung (Verordnung (EG) Nr. 1169/2011; LMIV) hat die Rechtslage zur Bestimmung der Füllmenge von vorverpackten Lebensmitteln nicht geändert, sondern lediglich darauf Bezug genommen. Nach der Richtlinie handelt es sich bei der Füllmenge um die Menge des Erzeugnisses, das die Fertigpackung tatsächlich enthält. Eine Fertigpackung besteht somit aus dem Erzeugnis und seiner vollständigen, mengenerhaltenden Umschließung.

Das OVG NRW stellte klar, dass auch Würste mit nicht essbaren Hüllen und Verschlussclipsen als Erzeugnisse im Sinne des Fertigpackungsrechts zu betrachten sind. Solche Würste gelten erst dann als fertigverpackt, wenn sie mit einer Umschließung an den Verbraucher abgegeben werden sollen.

Bedeutung der Entscheidung

Die Entscheidung des OVG NRW bestätigt die Praxis, dass nicht essbare Wursthüllen und -clipse zur Nettofüllmenge gehören. Dies ermöglicht es, umhüllte Würste weiterhin ohne Angabe der Nennfüllmenge zur Verwiegung vor Ort an der Fleischtheke anzubieten. Allerdings wurde die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen, sodass eine endgültige Entscheidung noch aussteht.

Anmerkungen und Empfehlungen

Die Entscheidung ist wegweisend für die Fleischwarenindustrie und bestätigt eine praxisnahe Auslegung der Nettofüllmenge. Lebensmittelunternehmer sollten die weitere Entwicklung aufmerksam verfolgen und gegebenenfalls ihre Bestimmungen und Deklarationen zur Nettofüllmenge anpassen. Es bleibt abzuwarten, ob das Bundesverwaltungsgericht oder möglicherweise der Europäische Gerichtshof (EuGH) zu einer abschließenden Klärung beitragen werden.

Quellen